Humanismus
aus Wikipedia,
der freien Enzyklopädie
Als Humanismus wird
heute allgemein eine aus der neuzeitlichen Philosophie
hergeleitete Weltanschauung verstanden, die sich an den
Interessen, den Werten und der Würde
insbesondere des einzelnen Menschen orientiert. Toleranz,
Gewaltfreiheit und Gewissensfreiheit gelten als wichtige
Prinzipien menschlichen Zusammenlebens.
In negativer Abgrenzung
enthält der Humanismus fast stets die Verneinung jeglicher Kraft
(oder moralischer Werte), die dem Menschen übergeordnet sind, also auch
die Zurückweisung und Ablehnung von Religion
zu Gunsten der Meinung, dass sich der moderne Mensch aus eigenem
Antrieb weiter zu entwickeln vermag und nur dann „Mensch“
ist.
Zusammenfassung
des Begriffs durch griechische Philosophen [Bearbeiten]
Zwei der frühen griechischen
Philosophen, von denen wir noch heute Aufzeichnungen besitzen, sind Heraklit
und Protagoras.
Drei der von ihnen überlieferten Aussagen lauten: „Alle Dinge fließen“,
„Du kannst niemals zweimal in denselben Fluss eintreten“ und „Der
Mensch ist das Maß aller Dinge“.
Es ist erstaunlich, inwieweit
diese drei Aussagen den Grundgedanken
des Humanismus zusammenfassen. Sie behaupten, dass alles relativ sei;
es gäbe keine moralischen oder gesetzlichen Absolutheiten; und der
Mensch sei die höchste Autorität im Universum.
Interpretation
des Begriffs [Bearbeiten]
Es gibt differierende
Interpretationen des Begriffs. So
unterscheidet man zum Beispiel zwischen liberaldemokratischem,
marxistisch-leninistischem, evangelisch-biblizistischem Humanismus und
vielen anderen Auslegungen.
Den Humanismusbegriff gibt es
seit der Antike, etwa bei Cicero. Man spricht für die Zeit der
Renaissance von einem Renaissance-Humanismus sowie einem
Humanismusbegriff in der Aufklärung, vertreten zum
Beispiel von Goethe, Schiller, Herder, mit dem man Humanität
meint, und dem im Historismus. Der Humanismusbegriff von Wilhelm von Humboldt
unterscheidet sich grundlegend von dem der Aufklärung in der Stellung,
welche die Geschichte im Wissenschaftskonzept einnimmt. War es in der
Aufklärung die Philosophie, die als die grundlegende Wissenschaft
angesehen wurde, ist es - bedingt auch durch politische Faktoren und im
Zuge der preußischen Reformen von 1810 mit der
Gründung der Berliner Universität - die
Geschichte. Auf diesem Boden kommt 1858 Georg
Voigt zur Entwicklung eines Epochenbegriffs
des Humanismus. Eine Unterart ist der sogenannte Bibelhumanismus.
Auf den Humanismus als Wurzel
der sozialistischen Idee berief sich die SED in dem
gemeinsam mit der SPD
veröffentlichten Papier Der Streit der Ideologien und die
gemeinsame Sicherheit. Absicht hinter diesen Bemühungen war neben
der internen politischen Agitation
die Suggestion einer historischen Zwangsläufigkeit in der Entwicklung
des deutschen Sozialismus. Nach Ansicht des rechts-konservativen
Politologen Konrad Löw gelang dies nachhaltig. Der Sozialhumanismus betrachtet den
Humanismus ebenfalls als Grundlage sozialer Forderungen.
Humanismus
als Epochenbegriff [Bearbeiten]
Im Speziellen wird als Humanismus
das fortschrittliche, sich vom Mittelalter abwendende geistige Klima
des 14. bis 16. Jahrhunderts bezeichnet. Im
Allgemeinen unterscheidet man heute zwischen der Renaissance
als dem umfassenden kulturellen und sozialen Wandel zwischen Mittelalter
und Neuzeit,
und dem Humanismus als der Bildungsbewegung, die ihm zugrundeliegt. Der
berühmteste und einflussreichste Humanist der frühen Neuzeit war Erasmus von Rotterdam. Den
Humanismus als Bildungsbewegung in seiner Vielschichtigkeit hatte vor Jacob Burckhardt noch Georg
Voigt erkannt.
Der Begriff des Humanismus
erscheint erst sehr spät. Abgeleitet wird er von dem lateinischen humanitas,
welches schon bei Cicero vorkommt. In der deutschen Aufklärung sprechen
Johann Gottfried Herder und Friedrich Schiller von Humanität.
Sie meinen damit Menschlichkeit an sich. Im Unterschied hierzu gibt es
bereits im 15. Jahrhundert ein Selbstverständnis
gebildeter Kreise, die sich als humanistae
begreifen und so bezeichnen, also als Humanisten. Dieses steht im
Zusammenhang mit den studia humanitatis.
Der eigentliche Begriff
Humanismus erscheint erst 1808 in der Schrift von Friedrich Immanuel Niethammer
Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der
Theorie unserer Zeit. Diese Strömung, die man auch den deutschen
Neuhumanismus zu nennen
pflegt, dient bei Niethammer zur Charakterisierung einer älteren Pädagogik,
der einer aus der Aufklärung erwachsenen, an den
praktisch-gesellschaftlichen Bedürfnissen und auf unmittelbare
Brauchbarkeit orientierten Pädagogik
gegenübergestellt wird.
Humanisten
der frühen Neuzeit [Bearbeiten]
- Rudolf Agricola, (* 1443 oder
1444 in Baflo bei Groningen - † 1485 in Heidelberg)
- Martin Prenninger, (* um 1450 in Erding
- † 1501 in Tübingen)
- Johannes Reuchlin, (* 1455 in Pforzheim
- † 1522 in Stuttgart)
- Sebastian Brant, (* 1457 oder 1458 in
Straßburg, † 1521 ebenda)
- Conrad Celtis, (* 1459 in Wipfeld bei
Schweinfurt - † 1508 in Wien)
- Ulrich Zasius, (* 1461 in Konstanz - † 1535
in Freiburg im Breisgau)
- Konrad Peutinger, (* 1465 in Augsburg - †
1547 in Augsburg)
- Guillaume Budé (lat. Guglielmus Budaeus, * 26. Januar 1468 in Paris; †
20. August 1540 in Paris)
- Erasmus von Rotterdam, (* 1469 in
Rotterdam - † 1536 in Basel)
- Willibald Pirckheimer, (* 1470 in
Eichstätt - † 1530 in Nürnberg)
- Albrecht Dürer, (* 1471 in Nürnberg - †
1528 ebenda)
- Thomas Morus, (* 1478 in London - † 1535
ebenda)
- Ulrich von Hutten, (* 1488 auf Burg
Steckelberg/Deutschland - † 1523 auf der Ufenau/Schweiz)
- Philipp Melanchthon, (* 1497 in
Bretten - † 1560 in Wittenberg)
- Johannes Sturm, (* 1507 in Schleiden - †
1589 in Strassburg)
- Mikuláš Konáč z Hodiškova, (etwa
* 1480 - † 3. April 1546 in Prag)
- Bohuslav Lobkowicz von
Hassenstein, tschechischer Humanist, Staatsmann, Rechtsgelehrter
und Dichter (1462 - 1510)
Humanisten
der jüngsten Moderne [Bearbeiten]
- Albert Einstein, (* 1879 in Ulm - † 1955
in Princeton, USA)
- Albert Schweitzer, (* 1875 in
Kaysersberg/Oberelsass - † 1965 in Lambaréné/Gabun)
- Erich Fromm, (* 1900 in Frankfurt am Main - †
1980 in Locarno)
- Bertrand Russell, (* 1872 Ravenscroft
(Monmouthshire), Wales - † 1970 Penrhyndeudraeth, Wales)
- Charlotte Bühler, (* 1893 Wien - † 1974
USA)
- Abraham Maslow, (* 1908 Brooklyn, N. Y.,
USA - † 1970 Menlo Park, California, USA)
- Carl Rogers, (* 1902 USA - † 1987 La Jolla,
California, Wales)
Hier fällt auf, dass
sämtliche Genannten vor dem Ersten Weltkrieg geboren sind. Die
Umwälzungen des 20. Jahrhunderts haben den Humanismus möglicherweise in
eine ernste Krise
geführt.
Humanismus
und Religion [Bearbeiten]
Säkularer
Humanismus [Bearbeiten]
Der moderne Humanismus
beginnt in der Zeit der Aufklärung und sieht
sich als einen Weg, unter anderem Fragen der Ethik
unabhängig von Religionen zu betrachten. Insbesondere werden
übernatürliche Erklärungen abgelehnt; man spricht vom säkularen
oder weltlichen Humanismus, siehe auch: secular Humanism (engl.).
Weiterhin gibt es Bewegungen,
die im Menschen ein Bedürfnis
nach Zeremonien
und Ritualen
festzustellen glauben und eine Organisation aufbauen, die diese
vermitteln. Siehe auch: Freidenker,
Freimaurerei.
Moderner
Humanismus in der Religion [Bearbeiten]
In etablierten Religionen
finden sich häufig humanistische Richtungen, wobei hier Glaubensvorstellungen
und Traditionen
übernommen und durch Elemente des Humanismus ergänzt werden.
Erste Anzeichen eines
Humanismus in der christlich-abendländischen
Geschichte entwickeln sich bereits im 11. Jahrhundert. Die Frage von Anselm von Canterbury (1033-1109),
weshalb Gott Mensch geworden ist (cur deus homo),
lässt den Menschen in seiner Beziehung zu Gott in einem anderen Licht
erscheinen und die Bemühung entstehen, bereits vor dem angestrebten
jenseitigen Heil in der irdischen Welt Ähnlichkeit mit Gott zu
erlangen. Auf dieser ersten Hinwendung zu einem tugendhaften Diesseits
und Mensch-Sein gründet sich der christliche Humanismus, der - wegen
seiner Anknüpfung an antike Schriften, u.a. des Aristoteles
und des Plato,
auch als christlicher Sokratismus (Erkenne Dich selbst, Christ)
bezeichnet - von einem neuen Sündenbegriff, von der Moral der Intention
ausgeht und zur Innenschau führt.
Trotz der Annäherung an
humanistische Fragestellungen akzeptiert der Katholizismus
auch heute den Humanismus nicht als eine dem Glauben
übergeordnete Idee, sondern fordert eine Vorrangstellung der
kirchlichen Kompetenz im religiösen Bereich. Diese Position wird,
jedoch nicht kirchenamtlich sondern nur biblisch begründet, auch von
manchen evangelischen Freikirchen
vertreten.
Der Islam betrachtet den
Menschen seit jeher als das höchste
Geschöpf Gottes. Dies wird an der Erschaffungs-Geschichte Adams
deutlich (Koran 2/30-38): Gott befielt der Engelschar (wobei die Engel
sonst als vollkommene rein geistige Wesen gelten) hinter Adam zu beten,
den er zuvor erschaffen hatte und in den er von seinem Geist
eingehaucht hatte. Gott begründet dies damit, dass Adam die Namen aller
Dinge kennt (ein Symbol für den Verstand des Menschen). Der Mensch ist
weiterhin das einzige Geschöpf Gottes, das in seinen Taten auf der Erde
vollkommen frei ist. Er kann Gottgewolltes tun oder aber sich gegen
Gott auflehnen.
Das Ideal des Menschen ist
allerdings der Mensch, der im Einklang
mit den Gesetzen Gottes lebt. Denn Gott weiß als Schöpfer aller Dinge
in der Konsequenz alles besser.
Aus der Perspektive des an
einen absoluten Schöpfergott Glaubenden
kann die islamische Philosophie durchaus als humanistisch bezeichnet
werden. Dies wird auch durch das theologische Prinzip untermauert:
alles auf der Erde ist für den Menschen erschaffen, und alle Gesetze
Gottes sind zum Wohle des Menschen.
Aus der Perspektive eines
Atheisten gilt der Mensch, der an Gott
glaubt und sich den Gesetzen Gottes unterwirft, als unmündig. Aus der
Perspektive des Gläubigen ist wiederum der Atheist unwissend, weil er
seiner Existenz keinen Sinn geben kann, wenn er den Schöpfer leugnet.
- Augustijn, Cornelis: Humanismus (Reihe: Die Kirche in
ihrer Geschichte 2, Lieferung Heft 2), Göttingen 2003.
- Bracher, Karl Dietrich: Verfall und Fortschritt
im Denken der
frühen römischen Kaiserzeit: Studien zum Zeitgefühl und
Geschichtsbewußtsein des Jahrhunderts nach Augustus, Wien-Köln-Graz
1987.
- Buck, August: Humanismus: seine europäische
Entwicklung in Dokumenten und Darstellungen, Freiburg-München 1987.
- Buck, August: Der italienische Humanismus,
in: Handbuch der
deutschen Bildungsgeschichte, hrsg. von Notker Hammerstein, Bd. 1: 15.
bis 17. Jahrhundert. Von der Renaissance bis zum Ende der
Glaubenskämpfe, München 1996, S. 1-56.
- Flammer, August: Entwicklungstheorien. Psychologische
Theorien der
menschlichen Entwicklung, 3. Auflage. Bern/Schweiz: Verlag Huber 2003.
- Kristeller, Paul Oskar: Humanismus und Renaissance,
hrsg. von Eckhard Keßler, München 1980.
- Kuhr, Rudolf: Wachstum an Menschlichkeit -
Humanismus als Grundlage. ISBN 3-933037-06-9
- Ladwig, Perdita: Das Renaissancebild deutscher
Historiker 1898-1933, Frankfurt/Main; New York 2004.
- Spitz, Lewis W.: Humanismus/Humanismusforschung,
in: Theologische Realenzyklopädie Bd. 15, Berlin -New York 1986, S.
639-661.
- Todte, Mario: Georg Voigt (1827-1891): Pionier
der historischen Humanismusforschung, Leipzig 2004. ISBN 3-937209-22-0
- Garin, Eugenio: Der italienische
Humanismus [Nach dem Manuskript ins Deutsche übertragen von
Giuseppe Zamboni], Bern 1947.
- Ferguson, Wallace K.: Renaissance
Studies, Ontario 1963.
- Kristeller, Paul Oskar: Der
italienische Humanismus und seine Bedeutung,Basel-Stuttgart 1969.
- Kristeller, Paul Oskar: The Classics and
Renaissance Thought: [Lectures], Cambridge/Mass. 1955.
- Baron, Hans: The Crisis of the Early Renaissance.
Civic Humanism
and Republican Liberty in Age of Classicism and Tyranny, revised
one-volume edition, Princeton 1966.
- Ferguson, Wallace K., The Renaissance in the
Historical Thought, Five Centuries of Interpretation, Boston 1948.
- Ullman, B.L.: The Humanism
of Coluccio Salutati, Padua 1953.
- Ullman, B.L.: Studies in the Italian Renaissance,
Rom 1955.
- Newald, Richard: Humanitas,
Humanismus, Humanität, Essen 1947.
- Rüegg, Walter: Cicero und der
Humanismus: Formale Untersuchungen über Petrarca und Erasmus,
Zürich 1946.
- Schneider, Josef. P.: Untersuchungen über das
Verhältnis von
humanitas zu Recht und Gerechtigkeit bei Cicero, Diss. Freiburg i.B.
1963.
- Burckhardt, Jacob: Die Cultur der
Renaissance in Italien, Leipzig 1860. (Zahlreiche durch andere
überarbeitete Auflagen auch in Übersetzungen).
- Martin, Alfred von: Salutati
und das humanistische Lebensideal, Leipzig 1916.
- Niethammer, Friedrich Immanuel:
Der Streit des Philanthropinismus und des Humanismus
in der Theorie des Erziehungs-Unterrichts unsrer Zeit, Jena 1808.
- Voigt, Georg: Die Wiederbelebung des
classischen Alterthums oder das erste Jahrhundert des Humanismus, 2
Bde. 3. Aufl., Berlin 1893 (Erstauflage in einem Band, Berlin 1859)
|